Mittwoch, 4. Oktober 2017

Testament - Sarah Lesch

Testament – Sarah Lesch (Gewinnerin des Protestsongpreises 2016)

Auch Du warst mal ein Kind und auch ich war mal klein
und auch uns ham‘ sie was erzählt.
Und dann macht man das alles und versucht so zu sein
und dann merkt man das einem was fehlt.

Und dann verlernt man, sich richtig zu spüren
oder man flüchtet sich in Kunst oder Konsum
Und während ihr fleißig Pläne macht
lachen die Götter sich krumm

Lasst eure Kinder mal was dazu sagen,
hört ihnen richtig zu
Die spürn sich noch, die ham‘ Feeling für die Welt,
die sind klüger als ich und du.

Und denkt dran bevor ihr antwortet:
Ihr seid auch nur verletzte Kinder.
Am Ende gibt’s wieder ganz neue Symptome und ihr wart die Erfinder.

Und dann sagt ihnen wieder, wie es richtig geht:
„Werd‘ erwachsen“ und „bist du naiv“
Predigt Formeln, lasst alles in Hefte schreiben,
die Götter lachen sich schief.

Achtet auf Schönschrift und Lehrpläne
und dass sie die Bleistifte spitzen.
Zeigt ihnen Bilder von Eichenblättern
während sie drinnen an Tischen sitzen.

Und dann ackern und büffeln und wieder auskotzen
und am Nachmittag RTL 2.
Am Wochenende geht’s was Schönes kaufen, fertig ist der Einheitsbrei.
Und jeder der sich nicht anpasst
wird zum Problemkind erklärt.

Und jede, die zu lebhaft ist
kriegt ‘ne Pille damit sie nicht stört.
Und damit betrügt ihr euch selber denn
kein Kind ist ein Problem.

Und all die Freigeister, all die Schulschwänzer
nur Symptomträger im System.
Doch bedenkt, wenn ihr so hart urteilt.
Ihr seid auch nur gefangene Geister.

Der Unmut wird immer lauter.
Und die Lehrer schreien sich heiser.       
Empört euch, dass Hänschen nicht ist, was er sein soll,
sondern nur, wer er nunmal ist.

Die Götter pullern sich ein vor Lachen   
Und ihr denkt, dass ihr was wisst.
Und wenn Hänschen dann Hans ist,
der eigene Kinder hat, denen er was erzählt,
dann merkt Hans und Kunz und ihr vielleicht auch,
dass wieder irgendwas fehlt.

Ihr habt Wünsche und Träume
und rennt damit ständig an imaginäre Wände.
Und jeder Wunsch, den ihr euch erfüllt,
der ist dann halt auch zu Ende.

Geht ihr nur Malochen für erfundene Zahlen
und wartet, bis die Burn-Outs kommen.
Schmeißt euer Geld für Plastik raus
um ein kleines Glück zu bekommen.

Das Beste aus Cerealien und Milch,
noch ‘n Carport und noch ‘n Kredit
und alle finden‘s scheiße aber alle machen sie mit.
Ihr klugscheißert und kauft trotzdem
und die Werbung verkauft euch für dumm.
Und dann sitzt ihr vor neuen Flachbildfernsehern
und meckert auf den Konsum.

Wenn ihr das Welt nennt, bin ich gern weltfremd,
die Götter lachen sich krumm.
Ihr Traumverkäufer, Symptomdesigner,
merkt ihr noch, was passiert?

Wer hat euch das Land und das Wasser geschenkt,
das ihr jetzt privatisiert?
Ihr Heuchler, ihr Lügner, ihr Rattenfänger,
ihr Wertpapierverkäufer,
man hat euch Geist und Gefühl gegeben
und doch seid ihr nur Mitläufer.

Ihr großen, vernarbten, hilflosen Riesen
ihr wart doch auch mal klein.
Und jemand hat euch mit Schweigen gestraft
und ließ euch darin allein.

Und jetzt hört ihr nicht nur die Götter nicht lachen,
ihr hört auch ihr die Kinder nicht weinen
und sagt ihnen weiter, es würde nicht wehtun ohne es so zu meinen.

Macht ihr ruhig Pläne, ich steh am Rand,
Ich sehe euch und ich bin nicht allein.
Hinter mir stehen mehr und mehr Weltfremde,
die passen auch nicht hinein.

Und jetzt wartet nicht auf ein versöhnliches Ende,
den Gefallen tu ich euch nicht.
Kein Augenzwinkern, keine milde Pointe,
die das Unwohlsein wieder bricht.

Irgendwann werden die Götter nicht mehr lachen
und falls es mich dann nicht mehr gibt,
hinterlass‘ ich ein Kind, das sich selbst gehört
und dies unhandliche Lied.