Wenn ich in diesem Moment an Dich denke, spielen wunderschöne
Erinnerungen sich wie ein persönlicher Film in meinem Kopf ab.
Momente,
die ich aufgesogen habe, wie ein Schwamm.
Augenblicke, die wie kleine,
helle Sterne in den dunkelsten Nächten scheinen.
Wenn ich in diesem
Moment an Dich denke, vermisse ich alles.
Aber ich bin auch dankbar.
Denn der Weg, den wir gemeinsam gegangen sind, hat mir gezeigt, dass das
Leben ein Geschenk ist, für das wir täglich dankbar sein sollten.
Jemanden zu verlieren, den man liebt, lässt uns Emotionen spüren, für
die es keine passenden Worte gibt. Es ist eine unmessbare Leere, die
sich im Herzen ausbreitet und sich von da aus durch den ganzen Körper
schleicht. Sie lähmt uns, macht uns blind und taub und für diesen
Augenblick sind wir der Welt so fern wie nie zuvor.
Als der Moment gekommen war, an dem wir loslassen mussten, haben wir
es einfach getan. Nichts fühlte sich so schlimm und so gut zugleich an.
Wir waren wütend über unsere eigene Machtlosigkeit, über vertane
Erlebnisse und über die Tatsache, das Worte niemals fassen könnten, was
wir alles noch zu sagen hatten.
Und wir waren dankbar.
Dankbar, dass der
Albtraum ein Ende fand, dass ein Gesicht, welches zuvor von Schmerz
gezeichnet war, nun so friedlich aussah und dass wir die verbliebene
Zeit gemeinsam verbringen durften.
Als wir das Krankenhaus nach Jahren
zum ersten Mal wieder ohne einen weiteren Termin in Aussicht verließen,
schien die Sonne auf das Dach des Foyers.
Und plötzlich war uns im
tiefsten Inneren bewusst, dass alles gut werden würde.
Wir lebten schon seit einer gefühlten Ewigkeit in einem Sprudel
voller Emotionen, die so viel von uns in Anspruch nehmen, dass es sich
anfühlte, als wäre die Zeit stehen geblieben.
Alles zog an uns vorbei
und nichts nahm Rücksicht darauf, dass wir selbst gar nicht hinterher
kamen. Wir waren plötzlich mit vielen Dingen beschäftigt von denen sich
alle anderen Menschen schützend fern hielten. Dann fühlte es sich an,
als würden die engsten Freunde plötzlich eine ganz andere Sprache
sprechen. Und als würden wir uns nun nicht mehr verstehen können.
Monatelang haben wir gekämpft, gehofft, gelacht und geweint. Wir waren
wie Profis im Medikamente zusammen stellen, Diagnosen verstehen,
Behandlungswegen folgen und wir kannten das Krankenhaus blind. Wir
wussten all die Ärzte beim Namen, waren durch jeden Flur gelaufen und an
jeder Blume des Krankenhausparks vorbeigekommen. Wir hatten sämtliche
Körperflüssigkeiten aufgesammelt, nächtelang wach gelegen und uns immer
wieder gefragt, was Gott sich bei all dem dachte.
Und das sollte nun alles vorbei sein? – Unmöglich.
In stundenlangen Gebeten und dem Wälzen sämtlicher Bibeltexte hatte
ich nie eine zufriedenstellende Antwort auf all meine Fragen erhalten.
Wie bei so vielen Menschen vor mir kreiste eine Frage jahrelang in
meinem Kopf herum: „Was soll das denn bitte für ein Plan sein?!“
Als mir die Sonne mitten im Dauerregen-November vor dem
Krankenhaus-Eingang auf den Kopf schien, fühlte es sich ungefähr so an,
wie wenn man als Kleinkind mit aufgeschlagenen Knien in die Arme der
Mutter sprang.
Die Verletzung schmerzte unheimlich, aber man fühlte sich
dennoch geborgen – und man war sich sicher, dass nun alles besser
werden würde.
Irgendwann, viel viel später, sprach ich mit einer Ordensschwester
über genau dieses verrückte Gefühl von Geborgenheit.
„Für manche Dinge
dieser Welt“, sprach sie, „haben wir keine Erklärungen.
Menschen
brauchen Begriffe; Wörter, Bilder, Töne, Gerüche, etwas, dass sie mit
dem Verstand erklären und mit den Sinnen wahrnehmen können. Aber das
Leben liefert uns nicht immer einen Beweis. Manchmal fühlen wir etwas
und darauf müssen wir einfach vertrauen.“
Jemanden zu verlieren, den man liebt, lässt uns Emotionen spüren, für
die es keine passenden Worte gibt.
Es ist ein unbeschreibliche Schmerz,
der sich im Herzen ausbreitet und von da aus mit Krawall und Gebrüll
durch den ganzen Körper schießt. Er lähmt uns.
Niemals werden wir einen
Weg finden, diesem Schmerz zu entgehen. Wir werden keine Wunden heilen
können, so wie es mit den aufgeschlagenen Knien funktioniert.
Aber wir
werden wissen, dass dieser Schmerz existiert, weil die Liebe es auch
tut.
Dass es jemanden gegeben hat, der unser Leben um das Unermessliche
bereichert hat. Dass wir diesen Schmerz empfinden, weil wir wahrhaftig
gelebt haben. Und wir werden es irgendwann wieder tun.
Manchmal, wenn ich nun in den Himmel schaue, spüre ich, dass Du nie
so richtig gegangen bist. Durch unsere gemeinsamen Erlebnisse bleiben
wir verbunden. Dafür brauche ich keinen Beweis.
Ich vertraue darauf.
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